Surprise, Surprise! Das neue Leben einer alten Dame
Wie man aus einer Surprise III Fläche, einem Surprise V Rumpf und einem modernen Antrieb einen Spassvogel macht.
Die Geschichte
Noch im letzten Jahrtausend, irgendwann 1996 oder 97, habe ich am Militky Cup einem Pfäffiker Modellfliegerkollegen einen Surprise V Rumpf abgekauft. Wir erinnern uns: Die Surprise V war der erste Freundenthaler-F5B-Flieger für diese neumodischen Getriebemotoren, die erstmals an der WM 1994 aufkamen. Diese Antriebe waren etwas leichter, hatten eine etwas tiefere Drehzahl bei höherem Drehmoment und konnten daher etwas grössere Propeller bewegen. Die Rümpfe für diese Motoren hatten eine längere Nase als die bisherigen F5B Monster. Einerseits damit der Schwerpunkt trotz leichterer Motoren erreicht werden konnte, aber vor allem damit die langen Propeller vor dem Flügel Platz fanden. Robbes Pro-Planeta Getriebemotoren, die diese Ära einleiteten, waren im Prinzip etwas massivere Pylon-Motore mit einen – wie der Name es sagt – Planetengetriebe vorne dran.
Der Vergleich einiger Motoren um 1994 zeigt einen Plettenberg 355/45 (nicht Evo) und Robbe’s “Pro Sydney 744/5”; Beide als Wettbewerbsmotore erleichtert. Der “Pro 525 Planeta” wurde von Robbe (Keller) zusammen mit Urs Leodolter entwickelt und an der WM 1994 präsentiert, während die anderen Teilnehmer noch mit den schwereren Direktantrieben flogen. Der Gewichtsunterschied ist markannt:
Gut sichtbar ist der Unterschied der Schnauzen zwischen der Surprise III für Direktantriebe und der Surprise V für schlankere und leichtere Getriebemotoren:
Zurück in die Zukunft
Nun denn. Nachdem ich meinen einzigen operationellen Hotliner, den Selection – auch ein Relikt aus der Bürsten-Zeit – zerstört hatte, war klar, dass da Ersatz hin musste. So ein Surprise V Rumpf müsste doch ganz gut mit moderner Technik auszurüsten sein und das Resultat bei sehr ansprechender Leistung einiges leichter als die damaligen zweieinhalb kg werden. Fündig wurde ich schliesslich bei Hacker mit dem B40-10L mit einem 4.4:1 Maxon Getriebe. Gemäss eCalc, welches für eflight Kunden praktischerweise gratis zur Verfügung steht, würde der Antrieb an einem 3S Lipo mit einer 16×13 Zoll Aeronaut Klapplatte bei 82% Motorwirkungsgrad um die 77A ziehen und dem F5B-Opa zu einer satten Steigleistung von 23m/s verhelfen. Da solcherart berechnete Werte natürlich immer mit etwas Vorsicht zu geniessen sind und sich der Motor bei dieser Auslegung durchaus an seiner Leistungsgrenze bewegt, habe ich noch die eine oder andere Propeller-Variante berechnet. Mit einer 15×13″ Latte würde das Ganze bei 65A fast identische Steigwerte liefern (Ja eigentlich wäre dies bei 85% Motorwirkungsgrad und immer noch knapp 22m/s Steigleistung sogar die gescheitere Variante…).
Für noch mehr Leistung und Wirkungsgrad hätte ich zu einem ausgewiesenen F5B Motor und damit auch wesentlich tiefer in die Tasche greifen müssen.
Der Einbau ist standard: GFK Motorspant aussägen, bohren, schleifen und einpassen. Nur die vermaledeiten M2.5 Schrauben, die das Maxxon Getriebe erfordert, waren bei mir natürlich nicht an Lager und der verbleibende Steg zwischen den Schraubenlöchern auf dem 14mm Teilkreis und der 10mm Bohrung für die Wellendurchführung ist mit weniger als einem Millimeter sehr schmal. Eingeklebt wurde das ganze mit Harz/Baumwollflocken/Thixo-Gemisch und der lange Motor nach dem Einbau hinten mit einem Holzklötzchen gegen “Abknicken” nach unten abgestützt.
Der Rumpf hat im Bereich der Flächenauflage links und rechts je noch einen zusätzlichen CF Roving, sowie etwas Glas auf das hauchdünne Kevlar-Häutchen bekommen. Gewichtsmässig macht das zwar nochmals etwa 30g Gramm her, aber wir müssen ja nicht mehr gewinnen und darum kümmert das an dieser Stelle gar nicht. Voll ausgerüstet und programmiert (das hat immer den grössten Einfluss aufs Gewicht ;) bringt der die Elektro-OpaOma 1.26kg Kampfgewicht auf die Küchenwaage. Das ist doch mehr als ein Kilogramm weniger als seine Wettkampfversion vor 20 Jahren! Weil meine neue Jeti Steuerung genau gleichzeitig mit dem Surprise Motörchen gekommen ist, gebührte die Ehre das erste Modell auf der neuen Fernlenkeinrichtung zu sein keiner geringeren als dieser alten Dame. Die Ausschläge stellte ich Handgelenk mal Pi ein, ebenso der Schwerpunkt – geschätzt minus ein paar Millimeter Sicherheit.
Wenn wir die Kennzahlen ganz grob vergleichen, zeigt sich, dass die heutige Spassversion etwa gleich viel Leistung hat, wie anno dazumal die Wettbewerbsversion.
1995 – Wettkampf | 2016 – Spass | |
---|---|---|
Motor | 430g | 205g |
Akku | 27x1Ah NiCd, 1.1kg | 3×3.3Ah LiPo 50C, 290g |
Energie Nominal | 32Wh | 42Wh / 31Wh bei 75% |
El. Leistung | ~1500W | ~750W |
Fluggewicht | ~2.3kg | 1.26kg |
Spez. Leistung | ~0.65W/g | ~0.6W/g |
Erstaunlich. Das nennt man dann wohl “Fortschritt der Technik” :)
Fliegen
Ja und kurz drauf wars dann soweit: Ruderkontrolle, Blindcheck der benötigten Schalter auf der neuen Steuerung, Abflugsektor klar, Vollgas und *Schubs*. Nach einem dutzend Meter Speed aufbauen gings senkrecht mit einem Affenzahn an die Sichtgrenze. Der erste Eindruck: Leise! Das Ding steigt zwar wie ein “FAI” der alten Tage, aber es ist *so leise*… kein Propeller der sich an der Schallgrenze in den Himmel bohrt. Als nächstes Schnell- und Langsamflug ausprobieren. Es zeigt sich, dass der Schwerpunkt auf der sicheren Seite liegt und die EWD für 2.5 und nicht 1.25kg ausgelegt ist. Bereits im zweiten Flug, mit dem Akku gut 1cm weiter hinten und etwa 1.5-2mm Tieftrimmung fliegt sich das Gerät nun wie auf Schienen. Der Durchzug ist sehr gut, aber für “F5B typisch” fehlen 1.2kg Gewicht, für die der Flieger mal ausgelegt worden war. Dafür kann man die Dame jetzt durchaus auch langsam fliegen lassen und vor allem angenehm und butterweich landen. Auch mit dem leichten Kampfgewicht bringt man die Surprise in High-g-Stalls. Sowohl bei hohen wie langsamen Geschwindigkeiten reisst die Strömung vor allem bei bereits leichten Schiebelagen abrupt einseitig ab. Das lässt einem das fehlende Seitenruder, nicht nur des Flugbildes wegen, doppelt vermissen. Aber so ist das halt mit den Hotlinern. Bei halb oder voll nach oben ausgefahrenen Querrudern hingegen, fliegt sie lammfromm gerade aus und lässt sich eigentlich kaum mehr überziehen. Nie waren weiche Beifusslandungen mit einem “FAI” einfacher :)
Im Stand zieht der Antrieb gut 90A, während es im Flug bei vollen Akkus knapp 70A sind. Pro Steiger sind 6-9 Sekunden Motor nötig, je nach dem wie gut die Augen sind. Zusammen mit dem wirklich saaaaaanften Softanlauf des YGE 90 Reglers ergibt das über einen durchschnittlichen Steigflug gemittelt etwa 60A Stromverbrauch. Damit stecken gut zweieinhalb Motorminuten oder etwa 20 Steigflüge im Akku (bei 75% Entladung). Mit den 1.1kg wiegenden 27 NCiCd Zellen waren das damals etwa 6-8 Steigflüge bis der Akku brandheiss aus dem Flieger kam und mit Ventilatoren gekühlt werden musste.
Die Aktion “aus Alt mach Alt mit einem bisschen Neu” hat sich gelohnt. Es war nicht nur spannend das alte Eisen mit moderner Technik au(f)szurüsten, oder in Erinnerungen und der alten Technik zu wühlen (was mach ich mit diesen alten F5B Motoren ausser sie als Stück Geschichte fotografisch zu dokumentieren?), nein, sie hat mir einen neuen Flieger, der wirklich gut fliegt und extrem viel Spass macht, beschert! Und das zu einem Gesamtpreis, für den man damals gerade mal den Motor bekommen hätte :)
Tags: Hotliner, Technik, vergangene Tage
Das Ende einer 16 Jährigen Geschichte
Heute hat es ihn ereilt. Den Selection. Er ist nicht mehr.
Nach einer Zwischenlandung zwecks “Kalibrierung” zum Erfliegen der korrekten Turbulatorposition habe ich zwar einen Rudercheck gemacht, es jedoch vergessen den Schwerpunkt ebenfalls zu überprüfen. Ja, und der Akku, der muss sich bei der Landung wie üblich verschoben haben. Nach dem Anbringen eines Klebebandes war gleich nach dem Start die Hölle los. Richtig, den Schwerpunkt habe ich vergessen zu prüfen, kam mir sofort in den Sinn. Nun gut. Er ist in der Luft, jetzt gibts nix anderes als das giftige Ding wieder zu Landen. Der erste “Anflug” passte gar nicht. Also nochmals Gas rein und eine Kurve drehen. Dabei muss der Akku vollends nach hinten gerutscht sein, ab jetzt war er nicht mehr fliegbar. 10 bis zwanzig Sekunden später knallte es. Das Geräusch, dass der Flieger am Baum 200 Meter weiter unten verursachte, liess deutlich darauf schliessen, dass nicht mehr viel zu retten sein würde. Und so kam es, dass mein Selection, nur Minuten zuvor noch glänzend wie ein neuer Voll-GFK-Flieger, nach 16 Jahren ausser Dienst gestellt wurde.
Nun, der geglaste Flügel war bretthart. Wie ist eigentlich so ein Selection Flügel aufgebaut?
In der Mitte oben und unten ein dreifacher “Abachi-Holm” mit Balsasteg. Und im Nasenbereich ebenfalls etwas zusätzliches Abachi.
Kurz vor dem Querruder noch eine zusätzliche Lage Abachi ohne Steg…
…während es in der Mitte der Querruders gar keine zuästzliche Verstärkung mehr gibt. Nur die Nasenseleiste ist durchgehend mit einer zusätzlichen Lage Abachi belegt.
Was übrig bleibt ist die Technik aus dem letzten Jahrtausend, welche ich darin verbaut hatte und ihm in Verbindung mit 3s/5Ah unzählige senkrechte Steiger an die Sichtgrenze bescherte. Übrigens leidet nur gerade eins der C-341 an Karies, die anderen sind unversehrt :)
Danke Selection, es war immer einer Freude Dich zu fliegen.
Tags: Hotliner, vergangene Tage