Corona, Corona

22.04.2020

Seit etwa 6 Wochen hat uns dieses kleine Ding im Griff. Wir bleiben alle zu Hause, machen Home Office wo immer möglich und verzichten auf alle Vereinsaktivitäten, wie von der COVID-19-Verordnung 2 gefordert. Auch die Generalversammlung haben wir abgeblasen, beziehungsweise, gestützt auf die selbe Verordnung, schriftlich durchgeführt. Inzwischen haben wir uns alle an die Videokonferenzen gewöhnt. Sei es geschäftlich, sei es für Vorstandssitzungen, oder einfach für die inzwischen lieb gewonnenen Jitsi-Biere als einziger Ersatz für den sozialen Austausch ausserhalb der eigenen vier Wände.

Diese neue Realität wird uns wohl noch ein Weilchen begleiten. Denn: Noch ist nur ein verschwindend kleiner Teil unserer Bevölkerung immun, und es gibt weder wirksame Medikamente gegen die Krankheit, noch eine Impfung, die uns einen verkürzten Weg zurück in die Normalität ermöglichen könnte. Diese wird wohl eine neue, etwas andere Normalität sein. Home Office wird einen anderen Platz einnehmen als zuvor, das Distanznehmen, das krampfhafte Händewaschen und auf die Hygiene achten wird sich tief eingebrannt haben und bleibende Spuren in unserer Alltagskultur hinterlassen. So wird von allem etwas haften bleiben. Hoffen wir auch ein Bisschen von der Erkenntnis, was alles möglich ist, wenn wir denn wirklich müssen und wollen.

Ich habe heute einen freien Tag. In der Werkstatt war ich schon. Dorthin gehe ich später nochmal. Der Wind kommt für den Hügel vor dem Haus aus der falschen Richtung. Und ich sollte zu Hause bleiben. Also schreibe ich jetzt eine Zusammenfassung über meinen persönlichen Lockdown. In modellfliegerischer Hinsicht, versteht sich.

Der letzte Tag auf dem Flugplatz

Am Wochenende vor der bundesrätlich verordneten Stilllegung unseres Landes hatten wir noch Besuch. Manuela und Topper hatten noch ein Pizzaessen bei uns offen, und so verbrachten wir auch einen Nachmittag mit Flügerlen auf dem Flugplatz. Selbstverständlich nach allen Regeln der Kunst, sprich: Unter Einhaltung von Abstand, mit Ellenbogenniesen, Händewaschen etc. pp. Dort haben wir anwesenden Vorstandsmitglieder auch beschlossen, auf die physische GV zu verzichten. Also sogar noch bevor wir gesetzlich dazu verpflichtet wurden.

Schön wars. Toppers P-80 ist leider nicht mitgekommen. Sie war noch nicht ganz fertig, und er fühlte sich so früh in der Saison auch noch nicht ganz fit für deren Erstflug. Dafür haben wir wieder mal seine Micro-L-39 gespickt. Die fliegt erstaunlich gut, für ihr Westentaschenformat.

Flottenzuwachs

Was passiert, wenn man zu Hause bleiben muss und nicht fliegen gehen kann? Richtig, die Familie wird grösser. Flottenzuwachs. Zwei Wochen später hat die Frau von einem Vereinskollegen eine ASW 28 mit etwas mehr als drei Metern Spannweite übernommen. Das Modell ist schon etwas älter und hat Styro/Abachi Tragflächen zum etwas gedrungen geratenen GFK Rumpf. Hersteller unbekannt. Das Modell ist mit alle Finessen eines Seglers der FAI-Standardklasse ausgerüstet: Schleppkupplung, Störklappen, und Einziehfahrwerk, letzteres sogar mit Fahrwerkstüren abgedeckt. Sie ist relativ leicht und hat ein sichtbar stark gewölbtes Profil. Willkommen in der Familie, Breitmaulfröschen 🐸

Schleudern

Habe ich vorhin geschrieben, man könne nicht Fliegen? Das ist natürlich falsch. Vereinsaktivitäten sind verboten, und Kontakte soll man meiden. Darum haben wir unseren Vereinsflugplatz geschlossen. Aber ganz alleine, bei uns vor dem Haus, da dürfen wir noch fliegen. Genau so, wie man noch Joggen oder Velofahren darf. Um wenigstens ein bisschen aus den immer gleichen vier Wänden heraus zu kommen und etwas für die seelische Gesundheit zu tun, haben wir das auch vermehrt getan. Die Auswahl der Flieger an die Umstände angepasst, ist das in diesem Bilderbuchfrühling eine Wonne.


Auch beim ausgedehnten Spazieren bin ich schon ins Schleudern gekommen. Mit dem Bauchladen und 250 g Harz und Kohle in der Hand bin ich durch die Haustüre, auf den Feldweg und immer der Nase nach über Wiesen, durch Wälder und an Bächen entlang gegangen. Dabei hat man richtig gemerkt, wie der Stellenwert des persönlichen Austauschs in den wenigen Wochen relativer Isolation gewachsen ist. Noch nie habe ich so viele freundliche Blicke erhalten, noch nie wurde so häufig, laut und ehrlich zurück gegrüsst und noch nie wurde ich so oft offen, interessiert und positiv auf den Flieger in meiner Hand angesprochen. Man hat gemerkt, es war den Menschen ein inniges Bedürfnis, sich auszutauschen, etwas Nähe zu spüren, Freundlichkeit zu geben, in der Hoffnung, selbst ein wenig davon zurück zu bekommen. Das hat mich sehr beeindruckt und durchaus wirklich das Herz erwärmt. Mit zwei, drei Metern Mindestabstand sind sich an diesem Tag die Menschen näher gekommen als je zuvor. Mein einsamer Spaziergang war nicht alleine. Ich hoffe – nein – ich wünsche mir, dass etwas von dieser Freundlichkeit, von diesem Wahrnehmen und dem Achten der Anderen hängen bleibt. Möglichst lange.

UHU Leben

UHU: “ums Huus”. Oder “Ums Haus”, für alle, die dem Hochallemannischen nicht mächtig sind. Wer nicht von der Klopapierknappheit betroffen ist, für den ist das Freizeitleben zu Hause ja nicht per se schlimm. Es kommt nur drauf an, was man draus macht.

Der Düsenjet darf halt nur zum Sonnen raus und muss zu Hause bleiben (*haha*!), während dafür der Haifisch endlich wieder mal Höhenluft schnuppern kann. Aus meinem vor beinahe 20 Jahren selber konstruierten Segelflieger ist seit langem eine Hangar Queen geworden. Auch wenn er zuvor während einer Dekade mein meistgeflogenes Modell war. Jetzt haben die Beiden Rollen getauscht. (🧻 ↔ 🧻. Höhö, Flachwitz, Schenkelklopfer, sorry.) Ich glaube, der Haifisch hat schon längst nicht mehr damit gerechnet…

Vom Guten sollte man genug haben. Zum Beispiel gutes Bier aus meiner LieblingsHofbrauerei. Zusammen mit einem guten Buch. Und wer Klopapier hat, der kann sich auch einen Fisch auf dem Grill leisten. So ist ein Frühlings-Corona-Abend geradezu eine Wonne.

Ja, und das mit dem Coiffeur ist auch halb so wild. Wann, wenn nicht während einem staatlich verordneten, landesweiten Haarschneidemoratorium für professionelle Dienstleister, ist es so risikoarm und opportun, sich Frisurentechnisch wieder mal etwas aus dem Fenster zu lehnen. Wer kann denn nämlich schon Sprüche klopfen, wenn er selbst aussieht wie ein Römischer Legionär in Asterix der Gallier.

Elektrisch

Besonders in den ruhigen Abendstunden, wenn die Aufwinde abgeklungen sind und die Luft still über der Ebene und den schwach gewölbten Kuppen steht, ist die Zeit für Elektroflieger. Nach Feierabend eine Akkuladung lang segeln und die Zuschauer, die sich seit dem Lockdown immer wieder mit oder ohne Kinder in sicherem Abstand zum Zuschauen einfinden, mit ein paar Figuren beglücken. Ja, und auch der Memory, meine allererste ferngesteuerte Eigenkonstruktion aus dem Jahre 1996, darf auch wieder fliegen! Heissa: Mit einem Hacker B20 15 L + 4:1 Getriebemotörchen, einem 3s LiPo Akku mit 1.8 Ah Kapazität und einer alten 10 x 8 Rasa Latte (wer kennt die noch?) geht das Leichtgewicht ab wie die Post. Mit sage und schreibe 5 – 6 Minuten Motorlaufzeit 😆

Und die Bauerei?

Ja, die Werkstattsaison geht in die Verlängerung. Da bin ich (sind wir…) natürlich auch stetig aktiv. Es ist eine Gratwanderung zwischen Freude und Koller. Im Moment widme ich mich vor allem der Venom, die darum gute Fortschritte macht. Die Flügel sind fast fertig, der Rumpf mit Kabinenhaube und Nase auch. Die Leitwerksträger und das Höhenleitwerk sind eingemessen und zum Anbau vorbereitet. Jetzt geht es ans Zusammensetzen der grossen Komponenten und an den Technik- und RC-Einbau.

Zur Venom werde ich bald wieder einmal einen ausführlicheren Bericht schreiben. Ja, ich weiss: Sag niemals “bald”, wenn es um Blogbeiträge geht…

Bis dahin wünsche ich Euch, dass es Euch stetig gelingen möge, das Unbequeme zu akzeptieren, das Gute zu sehen und das Beste (daraus) zu machen.

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